Recruiting & Employer Branding: Chancen in Zeiten von Pandemie und Krise

An HR werden in diesen Zeiten besondere Herausforderungen gestellt. Auch bei Talentry haben wir unser Büro geschlossen – alle Mitarbeiter arbeiten derzeit im Home Office. Dank der vielen digitalen Collaborations-Tools wie OneDrive, Slack, Zoom für gemeinsame Nutzung von Dateien auch vom Home Office aus, Gruppen-Chats und Video-Konferenzen sowie flexibler Arbeitszeiten ist das virtuelle Arbeiten bereits fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Das ermöglicht uns jetzt ein schnelles Handeln, um unsere Verantwortung für die Gesellschaft und für unsere Mitarbeiter wahrzunehmen. Damit der Team-Geist und der informelle Austausch nicht auf der Strecke bleiben, starten wir den Tag mit virtuellen Stand-ups für kurze Updates über geplante Aktivitäten und treffen uns auf einen 15-minütigen Video-Kaffeeklatsch am Nachmittag. Eine gute Zusammenfassung, was HR angesichts der aktuellen Ausnahmesituation leisten muss findet sich übrigens auch auf dem Blog von Marcus Reif, Recruiting- und Employer-Branding-Experte sowie mein ehemaliger Chef.

In der letzten Zeit habe ich mit vielen Recruiting-Verantwortlichen gesprochen und festgestellt, dass Recruiting im Speziellen im Angesicht der Corona-Krise vor großen Herausforderungen steht. Die Bandbreite reicht hier vor kompletten Einstellungsstopps bis hin zu drastisch rückläufigen Bewerbungseingängen bei anhaltendem und in manchen Branchen auch aktuell sehr akutem Personalbedarf. Wie wir alle hoffe ich, dass dies eine zeitlich stark begrenzte Phase ist. Deshalb möchte ich in diesem Artikel praktische Tipps speziell an Recruiting-Teams aussprechen, auch und gerade jetzt an einer proaktiven und nachhaltigen Recruiting-Strategie zu arbeiten, die Krisenzeiten überbrücken hilft und die Basis für den anschließenden Aufschwung legt.

Vollgas anstatt Vollbremsung

Eines vorweg: Die Tatsache, dass Recruiting-Aktivitäten aktuell keine absolute Priorität haben, lässt sich auch dafür nutzen, wichtige strategische Überlegungen voranzutreiben oder Projekte in Angriff zu nehmen, die sonst ins Hintertreffen geraten. Das ist übrigens auch das Feedback, das wir derzeit von Kunden bekommen. Dennoch sollte klar sein, dass dort wo jetzt Stillstand herrscht, vielleicht schon in wenigen Wochen genauso schnell wieder Fahrt aufgenommen werden muss. Und dann muss der komplette Recruiting-Apparat wieder von vorne angeworfen werden und es dauert Wochen bis wichtige Positionen besetzt werden können. Deshalb lohnt es sich, die Frage zu stellen: Warum hören wir in diesen Zeiten mit einer so strategischen Kernfunktion auf, nur weil aktuell keine Vakanz zu besetzen ist? Genau jetzt ist der Zeitpunkt, passende Kandidaten kennenzulernen und sich, statt bereits gestartete Bewerbungsprozesse zu stoppen, eine Kandidaten-Pipeline aufzubauen, auf die wir dann in Wachstumszeiten schnell zurückgreifen können.

Proaktiv Kandidaten ansprechen

Auch bevor Corona unser Leben so drastisch verändert hat, waren 80 Prozent aller berufserfahrenen Kandidaten nicht aktiv auf Jobsuche. Durch die aktuelle Situation kommt Bewegung auf den Markt. Viele Kandidaten, die vielleicht in letzter Zeit unzufrieden waren oder deren Jobprofile sich verändern, sind plötzlich doch wechselwillig, wenn sie proaktiv angesprochen werden und haben jetzt vielleicht sogar die Zeit für das ein oder andere Telefonat mit einem Recruiter. Vielleicht also der perfekte Zeitpunkt, um sich mit dem Thema Active Search auseinanderzusetzen. Denn es ist gar nicht so komplex wie es am Anfang aussehen mag und eignet sich, neben der akuten Besetzung von Stellen, auch perfekt für den Aufbau guter Pools mit neuen Kandidatenzielgruppen. Und vielleicht profitieren wir ja auch davon, dass derzeit weniger Recruiter Active Search betreiben…

Wer noch keine Recruiter-Accounts in sozialen Netzwerken hat, kann sich auch mit langsamen Schritten an das Thema herantasten und erste Kandidaten auf LinkedIn oder XING ansprechen. Vielleicht habt ihr bei Stackoverflow oder ähnlichen Portalen auch bereits Recruiter-Zugänge in euren Stellenanzeigenpaketen. Ihr habt aktuell keine Stelle ausgeschrieben? Dann definiert gängige Schlüsselpositionen, von denen ihr wisst, dass sie A) regelmäßig kommen, B) von strategischer Relevanz und C) schwer zu besetzen sind und fangt an für diese Stellen Pipelines aufzubauen. In ein paar Wochen oder Monaten werdet ihr diese Stellen dann deutlich schneller besetzen.

Leads durch Employer Brand generieren

Jahre- und monatelang haben wir als Employer-Branding-Experten in entsprechend Maßnahmen, Employer Value Propositions Karriereseiten und Online-Kampagnen investiert. Mühevoll schaffen wir es, die richtigen Kandidaten auf unsere Karriereseite zu leiten. Dort überzeugen wir sie mit großartigem Content und authentischen Geschichten und wenn sie dann auf die Jobseite gehen, finden sie derzeit bei einigen Unternehmen keine oder kaum passenden Stellen und verlassen unsere Seite wieder. Hier schlummert verlorenes Potenzial! Wir haben so viel investiert und schöpfen am Ende das volle Potenzial unsere Maßnahmen nicht aus, nur weil die Geschäftsführung einen Einstellungsstopp beschlossen hat.

Sammelt Leads von eurer Karriereseite! Wenn ihr aktuell keine Stellen ausgeschrieben habt, dann ermöglicht interessierten Kandidaten auf eurer Karriereseite, sich in eurem Kandidaten-Pool zu registrieren. Bleibt mit ihnen in Kontakt und geht im richtigen Zeitpunkt wieder auf sie zu.

Eine Chance für interne Mobilität

Externe Recruiter scouten auf dem externen Markt, Business Partner oder Interne Recruiter auf dem internen Arbeitsmarkt. Wenn wir es schaffen, dieses Silodenken aufzubrechen, dann eröffnet uns das eine der wertvollsten Quellen für Talente: unsere eigenen Mitarbeiter. Oftmals verfügen sie gar nicht über den Überblick zu internen Stellen und es gibt keine internen Talent Pools. Mitarbeiter haben also keine Möglichkeit, Interesse an internen Karriere-Optionen zu äußern – außer über ihren direkten Vorgesetzten. Und wenn in diesen Zeiten gewisse Bereiche wegbrechen oder reduziert werden, schaut sich der betroffene Mitarbeiter vielleicht eher extern um, weil er intern keine Chance sieht.

Schafft Angebote für interne Karrierewege! Schafft Transparenz über aktuelle Stellen, ermöglicht es den Mitarbeitern sich einfach auf diese zu bewerben oder per CV-Upload Interesse zu signalisieren. Wenn dann alle in einer zentralen Plattform arbeiten, kann auch der externe Recruiter einen Blick auf den internen Talent Pool werfen, bevor er externe und meist sehr kostspielige Maßnahmen wie Stellenanzeigen oder Headhunter beauftragen muss.

Digitalisiert eure Recruiting-Prozesse

Muss das Interview wirklich im Büro stattfinden? Müssen Kandidaten wirklich durch ganz Deutschland zum Interview anreisen? Bei Talentry haben wir unseren Recruiting-Prozess komplett digitalisiert – und das funktioniert hervorragend. Kandidaten bewerben sich über unser Bewerbermanagement-System, in manchen Bereichen verwenden wir digitale Auswahlverfahren wie CodingChallenges als Praxistest für Entwickler-Positionen. Dann findet ein erstes Videotelefonat statt, danach ein zweites mit weiteren Fachbereichskollegen. Oftmals machen wir hier ein fiktives Fallbeispiel, und auch das finale Interview mit der Geschäftsführung kann virtuell stattfinden.

Führt Tools für das virtuelle Abbilden eurer Recruiting-Prozesse ein. Sei es Zoom, Facetime, Skype o.a. Mit diesem kandidatenorientieren Vorgehen punktet ihr auch für eure Arbeitgebermarke.

Sagt nicht gleich ab, sondern bleibt in Kontakt

Wir alle kennen das: Einstellungsstopp, alle Stellen werden gestrichen, allen Kandidaten in der Pipeline wird abgesagt. Das ganze Potential und wochenlange Arbeit sind dahin. Wenn wir bei Talentry absagen, weil vielleicht der Zeitpunkt nicht passt, dann fügen wir in unsere Absageschreiben einen Link zu unserer Talent Community ein. Kandidaten können sich dann innerhalb von einer Minute registrieren, landen im Pool für die jeweilige Stelle, wir bleiben in mit ihnen in Kontakt und können bei nächster Gelegenheit aktiv auf sie zugehen.

Auch ohne Einstellungsstopp gilt: Nutzt das Potenzial von „Second best“-Kandidaten oder richtigen Talenten zum falschen Zeitpunkt. Ladet sie in einen Pool ein, bleibt mit ihnen in Kontakt und baut eine Beziehung auf (unsere Marketing-Kollegen würden das als „Warm Leads“ bezeichnen).

 

Mein Fazit

Es gibt also sinnvollere Maßnahmen, als Recruiter in vorzeitigen Urlaub zu schicken, kurzfristig gedachte Einstellungsstopps anzuberaumen oder im Recruiting auf Vollbremsung zu gehen. Wir Recruiter haben jetzt die Möglichkeit, die Früchte unserer Arbeit zu ernten und mit einer proaktiven Recruiting-Strategie die Grundlage für den zukünftigen Unternehmenserfolg zu sichern.

Bleibt am Ball und bleibt gesund!

Eure Yvonne

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