Talentry 2 Know: Was ist eigentlich Proaktives Recruiting?

Warum funktionieren Stellenanzeigen nicht mehr so wie früher? Wie bauen Recruiter eine Beziehung zu Kandidaten auf, die gar keinen Job suchen? Und warum ist ein Talent-Pool ein absolutes Must-Have beim proaktiven Recruiting? Wir haben die Antworten.

 

Proaktives Recruiting ist …


… die Gesamtheit aller initiativen Recruiting-Aktivitäten, die nicht kurzfristig auf die Besetzung einer akuten Vakanz ausgerichtet sind, sondern einem langfristigen Beziehungsaufbau dienen. Es ist das Gegenteil der jahrelang in der Personalbeschaffung praktizierten Post & Pray-Methode: Statt im Falle einer Vakanz eine Stellenanzeige zu schalten und den Eingang von Bewerbungen abzuwarten, initiiert und pflegt der Recruiter mithilfe verschiedenster Maßnahmen und Methoden den Kontakt zu vielversprechenden Talenten. Um im Rahmen dieses Talent Relationship Managements eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen, konzentriert sich die Direktansprache nicht (nur) auf aktiv suchende Kandidaten, sondern vor allem auf passive Talente, die aktuell nicht über einen Jobwechsel nachdenken. Das erklärt, warum beim proaktiven Recruiting die Initiative vom Unternehmen ausgeht und nicht vom Bewerber. Der Arbeitgeber sucht neue Mitarbeiter und nicht unbedingt der Bewerber einen neuen Job.


Welches Ziel verfolgt Proaktives Recruiting?


Proaktives Recruiting ist nicht primär auf die einzelne Stellenbesetzung ausgerichtet, sondern hat das Ziel, im Falle einer Vakanz auf geeignete Kandidaten zurückgreifen zu können, mit denen der Recruiter bereits in Kontakt steht. Auf diese Weise wird das Recruiting langfristig effizienter und erfolgreicher. Der lineare Recruiting-Prozess, der bei jeder neuen freien Stelle mit der Kandidatensuche beginnt und mit der Einstellung endet, wird in einen Kreislauf, auch Recruiting Wheel genannt, transformiert, durch den im Idealfall ein stets aktueller Bewerber-Pool bzw. eine Talent Pipeline entsteht.


Warum ist proaktives Recruiting notwendig?


Weil sich der deutsche Arbeitsmarkt primär durch die Überalterung der Bevölkerung in einen Bewerbermarkt gewandelt hat, mit der Folge, dass Fachkräfte rar sind und die Generationen Y und Z Arbeitgebern mit einem anderen Selbstverständnis gegenübertreten. Hier zeigt “Post & Pray” bzw. lineares Recruiting längst nicht mehr den erwünschten Erfolg. Angebot und Nachfrage haben im Fachkräftemangel quasi die Seiten gewechselt und diese Machtverschiebung von den Unternehmen, hin zu den Arbeitskräften und Bewerbern, macht es für Arbeitgeber immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. Es ist daher nur logisch, dass auch die Protagonisten – also Arbeitgeber und potenzielle Kandidaten – die Rollen tauschen. Heute sind Unternehmen die Suchenden, die sich um neue Mitarbeiter bewerben. Nur ein sehr geringer Prozentsatz der Arbeitnehmer auf dem Markt plant tatsächlich einen Jobwechsel oder informiert sich in persönlichen Netzwerken gelegentlich über neue Optionen. Die große Mehrheit der Arbeitnehmer verhält sich passiv und verfolgt Stellenanzeigen nicht aktiv. Deren Aufmerksamkeit und Interesse gewinnen Unternehmen nur mit proaktiven Recruiting-Maßnahmen und einem langfristigen Talent Relationship Management.


Wer profitiert besonders von einem Talent Relationship Management?


Proaktives Recruiting und die Investition in ein beständiges Talent Relationship Management sind keine Frage der Unternehmensgröße. Viel entscheidender sind die Stellen, die im Unternehmen besetzt werden müssen. Proaktives Recruiting ist deshalb vor allen Dingen für Unternehmen interessant, die schwer zu findende Profile besetzen müssen, für die meist keine Bewerbungen eingehen. Das betrifft zum Beispiel Ingenieure, Programmierer oder erfahrene Führungskräfte. Ein erfolgreiches Active Sourcing und die damit verbundene persönliche Ansprache kommen hier voll zum Tragen. Um diese kritischen Talente zu gewinnen, müssen Netzwerke aktiv aufgebaut und sämtliche Kontaktpunkte gewissenhaft getrackt werden, bis der richtige Zeitpunkt für eine Einstellung gekommen ist.

  • einen hohen Bedarf an identischen Profilen haben, so dass sich vor allem die Kontaktpflege zu Second-Best-Kandidaten aus früheren Bewerbungsrunden über einen Talent-Pool auszahlt. So kann das Unternehmen ohne erneuten Bewerbungsprozess auf bereits geprüfte und als vielversprechend befundene Kandidaten zugehen.

  • mit hohen Fluktuationsraten kämpfen, und daher nicht nur auf ein schnelles und flexibles Recruiting über einen Talentpool angewiesen sind, sondern auch das eigene Employer Branding stärken müssen. Im Rahmen des proaktiven Recruiting kann das zum Beispiel durch Mitarbeiterempfehlungen bzw. ein strategisches Referral-Programm gelingen.

  • durch High-Volume-Recruiting Saisonspitzen abfangen und daher meist kurzfristig und für einen begrenzten Zeitraum viele Stellen mit ähnlichem Profil besetzen müssen. Klassische Beispiele gibt es vor allem in der Logistikbranche, in der Gastronomie, im Einzelhandel, im Tourismus oder auch im Veranstaltungssektor. Werden zum Beispiel jährlich für das Weihnachtsgeschäft tausende Aushilfsfahrer gesucht, können dafür nicht jedes Mal wieder Stellenanzeigen geschaltet, Bewerbungen gesichtet und Interviews geführt werden. Das Unternehmen braucht einen aktiven Pool an geeigneten Kandidaten, die der Recruiter beim nächsten Bedarfsschwung automatisiert anschreiben und fragen kann, ob sie wieder für sie arbeiten wollen. Das setzt ein funktionierendes Relationship Management voraus, bei dem die Kandidatenprofile auch in inaktiven Zeiten gepflegt werden.


Was machen viele Unternehmen falsch?

  1. Unternehmen adaptieren die neuen Rollenverhältnisse nicht und suchen mit den überholten Methoden auch weiterhin nach neuen Fachkräften. Vielleicht wird die Stellenanzeige deutlich bunter, lustiger oder provokanter gestaltet und darüber hinaus auch auf Social-Media-Kanälen veröffentlicht, aber der Recruting-Mechanismus bleibt doch der gleiche und wird daher nicht funktionieren. Nur weil die Stellenanzeige optisch verändert und über ein neues Medium verbreitet wird, flattern nicht plötzlich körbeweise Bewerbungen ins Haus. 

  2. Das proaktive Recruiting wird zu einer Corporate Dauerwerbesendung. Das heißt, das Unternehmen stellt den Kandidaten vermeintlich ins Zentrum seiner zahlreichen neuen Recruiting-Bemühungen, geht inhaltlich aber nicht wirklich auf dessen Interessen ein. Statt glaubwürdigen und informativen Content zu kreieren, schmückt sich die Firma mit Superlativen. Bewerbern ist aber vor allem Authentizität wichtig und dank Portalen wie Kununu oder Glassdoor erkennen sie schnell, ob das kommunizierte Image des Arbeitgebers lediglich eine hübsche Fassade ist.

  3. Das Recruiting hat einen geringen Stellenwert im Unternehmen und Personalsuche wird häufig nur „nebenbei” erledigt. Dabei ist es erwiesen, dass der Personalmangel mittlerweile der größte Engpass für wirtschaftliches Wachstum ist. Unternehmen müssen also die Recruiting-Strategie als erfolgskritischen Teil der Unternehmensstrategie und des Employer Branding begreifen. Besorgniserregend sind heute nicht etwa die Recruiting-Kosten einer Stellenbesetzung, sondern die Kosten die entstehen, weil eine Stelle unbesetzt bleibt. Das Recruiting sichert also die wirtschaftliche Position des Unternehmens. 


Welche Maßnahmen und Methoden gibt es beim proaktiven Recruiting?


Im Rahmen des Candidate Relationship Managements gibt unzählige Möglichkeiten für Unternehmen, um den Kontakt zu Talenten knüpfen und zu halten. Wir stellen an dieser Stelle nur eine Auswahl der wichtigsten Maßnahmen vor. Letztendlich umfasst das proaktive Recruiting alle Aktivitäten, sowohl online als auch offline, die dem Beziehungsaufbau und der Beziehungspflege dienen.


#1 Kontakte pflegen in einem Talent-Pool 


Herzstück des proaktiven Recruitings ist ein Kandidaten- oder Talent-Pool. In dieser Datenbank werden sämtliche Kontakte gesammelt, sortiert, klassifiziert und sinnvoll gruppiert. Zudem lassen sich Kontakthistorien anlegen und Einwilligungsprozesse im Rahmen der DSGVO automatisieren. Die Kontakte selbst können aus ganz verschiedenen Quellen stammen: z.B. Second-Best Kandidaten aus abgeschlossenen Bewerbungsprozessen, Teilnehmer von Recruiting-Events, Besucher der Karriereseite, Empfehlungen von Mitarbeitern, Initiativbewerbungen oder Active-Sourcing-Kontakte aus Internetforen, Blogs, Business-Netzwerken wie Xing und LinkedIn, Jobbörsen usw. Wichtig ist, dass die Kontakte nicht nur gesammelt und gelegentlich aktualisiert werden, sondern auch aktiv gepflegt und ausgebaut werden, um potenzielle Kandidaten zum richtigen Zeitpunkt mit dem passenden Jobangebot ansprechen zu können. Eine zentrale Datenbank hat zudem den Vorteil, dass jeder in den Recruiting-Prozess involvierte Mitarbeiter den aktuellen Status des jeweiligen Kontakts kennt, dieselben Kandidateninformationen nutzt und jederzeit auf Dashboards und Reportings zugreifen kann. 


#2 Anlaufstelle bieten über Karriereseite


Die Karriereseite ist das Aushängeschild des Unternehmens als Arbeitgeber und Dreh- und Angelpunkt des Personalmarketings. Für Talente ist sie meist die erste Anlaufstelle, um sich neben aktuellen Stellenangeboten auch über Arbeitsbedingungen, Firmenkultur, Betriebsklima, Karrierechancen und vieles mehr zu informieren. In jeder Candidate-Journey sollte die Karriereseite als Touchpoint auftauchen und im Idealfall direkt zu einer Bewerbung oder aber zur Registrierung im Talent-Pool führen. Dazu muss die Seite im Sinne einer positiven Candidate Experience nutzerfreundlich programmiert, gut strukturiert und zielgruppengerecht gestaltet sein - mit informativen Inhalten, einer persönlichen, motivierenden Ansprache und leicht zugänglichen Bewerbungsmöglichkeiten.

 

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#3 Empfehlungen von Mitarbeitern nutzen


Über die sozialen Netzwerke nur eines Mitarbeiters erreichen Arbeitgeber im Durchschnitt 341 potentielle Kandidaten. Aber nicht nur die kostenlose Reichweite macht Mitarbeiterempfehlungen so attraktiv für das Recruiting. Personalabteilungen schätzen auch den Cultural Fit und die Loyalität, die empfohlene Mitarbeiter oft mitbringen. Referral-Programme gelten in vielen Unternehmen daher bereits als die beste Recruiting-Quelle. Sie bieten Mitarbeitern neben einem gut bestückten Prämienshop die Möglichkeit, Stellenprofile und Bewerbungslinks unkompliziert per E-Mail oder in den eigenen sozialen Netzwerken zu teilen. Für den Personaler hält die Software sinnvolle Analysefunktionen zur Erfolgskontrolle bereit. Das ist mindestens ebenso wichtig, wie die Interaktion des Systems mit allen relevanten Social-Media-Plattformen, seine intuitive Bedienbarkeit und die direkte Anbindung an das Bewerbermanagementsystem.


#4 Früh Talente sichern durch Campus Recruiting


Campus Recruiting ist eine proaktive Recruiting-Maßnahme, um sich als Arbeitgeber strategisch Talente zu sichern – vor allem in Branchen, in denen sich eine zunehmende Verknappung von qualifizierten Fachkräften abzeichnet, wie etwa in den MINT-Berufen und im IT-Bereich, aber auch im Pflegesektor oder unter den Juristen. Für Arbeitgeber lohnt es sich, hier schon frühzeitig Kontakt zu Studierenden und Absolventen aufzubauen, z.B. durch Praktika, Jobs für Werkstudenten, Ferienjobs auf Messen und Veranstaltungen, aber auch durch Seminare und Workshops an Universitäten. Ziel ist es, aus den Absolventen irgendwann Bewerber zu machen. Dafür sind eine Recruiting-Strategie und ein leistungsfähiges Candidate Relationship Management (CRM) notwendig, mit dem über Jahre hinweg komplette Ausbildungsdaten gespeichert und Werdegänge nachverfolgt werden können. 


#5 Konstant kommunizieren mit E-Mail-Kampagnen 


Ob Absolventen, Blue-Collar-Worker, Digitals, Ingenieure oder andere Fach- und Führungskräfte – jedes Talent kann mit den passenden Inhalten für das Unternehmen begeistert werden. Ein strukturierter Kandidatenpool mit smarten Filter- und Suchfunktionen ist die Basis für zielgruppenspezifische E-Mail-Kampagnen und stellt sicher, dass die Kommunikation zielgerichtet ist und überzeugt. Mit sinnvollen Automatisierungs-Funktionen, zum Beispiel bei Geburtstags- oder Weihnachtsgrüßen, lassen sich E-Mail-Kampagnen im Voraus planen und der zeitliche und personelle Aufwand hält sich in Grenzen, ohne das die persönliche Ansprache darunter leidet.


#6 Kennenlernen auf Recruiting Events 


Ob im virtuellen Raum oder live und in Farbe: Recruiting Events sind eine hervorragende Möglichkeit, Beziehungen zu Kandidaten auf eine persönlichere Art und Weise aufzubauen und zu pflegen. Dadurch haben sie einen starken Einfluss auf das Employer Branding. Beliebte Events sind zum Beispiel Karrieretage an Universitäten, Expertenpanels oder Kamingespräche, Hackathons, Jobmessen oder Networking-Events. Auch hier ist die Frage nach der Zielgruppe ausschlaggebend für die Art des Events: Erfahrene Führungskräfte wird man weniger für einen Hackathon begeistern, als für ein Expertenpanel. Egal welche Art von Recruiting-Event organisiert wird, es ist wichtig die gesammelten Daten oder neu gewonnen Kontakte in die Datenbank einzupflegen. Mit Hilfe eines Talent-Management-Systems lassen sich die einzelnen Schritte wie Einladung, Registrierung, Versand von Unterlagen oder das Follow-Up das weitestgehend automatisieren.


#7 Im Gespräch bleiben in Talent Communities 


Interaktion ist eine wichtige Komponente beim proaktiven Recruiting, um Kontakte zu intensivieren und Kandidaten an das Unternehmen zu binden. Plattformen wie Talent Communities bieten sich für einen regen Austausch an. Hier können Unternehmen Diskussionen moderieren und Talente ermutigen, Fragen zu stellen, die in jedem Fall zeitnah, prägnant und informativ beantwortet werden müssen. So wird die Kommunikation in beide Richtungen gewährleistet und die Talent Community zu einer dynamischen Plattform, auf der sich potenzielle Kandidaten wahrgenommen fühlen. Eine Talent Community kann sich aus internen Bewerbern, passiven Kandidaten, aktiven Jobsuchenden und auch ehemaligen Mitarbeitern zusammensetzen. Diversität bereichert die Community und erhöht die Themenvielfalt.


Fazit


Arbeitgeber, die sich im Recruiting nach wie vor darauf fokussieren, offene Stellen reaktiv zu besetzen, verschenken wertvolles Potenzial. Durch ein proaktives Recruiting hingegen gelingt es ihnen, vielversprechenden Kandidaten auch ohne konkrete Einstellungsoption für das Unternehmen zu begeistern. Sobald sich eine passende Vakanz ergibt, kann der Personaler ohne langwierige, kostenintensive Suche auf den Kandidaten zugehen und ihm eine Bewerbung vorschlagen bzw. ein Jobangebot unterbreiten. Smarte CRM-Software verbunden mit einem Talent-Pool reduziert dabei den zeitlichen und finanziellen Aufwand, den ein konstantes Candidate Relationship Management erfordert.

 

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